11.08.2021 - Kreissportbund Emsland

Julia Krajewski: Wahnsinnig erleichtert, glücklich und emotional

INTERVIEW MIT LINGENER OLYMPIASIEGERIN

Meppen. Die emsländische Vielseitigkeitsreiterin Julia Krajewski vom RFV Lingen hat bei den Olympischen Spielen Gold gewonnen. Im Interview spricht sie über Gefühle, Emotionen und Stress.

Frau Krajewski, mit welchem Gefühl sind Sie morgens in Tokio vor dem Springreiten aufgewacht?

Mit einem guten Gefühl. Meine Stute war abends am Gelände schon gut drauf und Springen ist eine ihrer Stärken. Ich war mir halbwegs sicher, dass es gutgehen würde. Klar, es kann immer ein Fehler passieren, aber ich habe gar nicht zu viel darüber nachgedacht, dass es um Gold, Silber, Bronze geht.

Sie wirkten zwischen den beiden Springen locker und nicht angespannt. Ist das eine Tugend von Ihnen?

Ich war noch nie in der Pole-Position bei den Olympischen Spielen, aber ich hatte an dem Tag einfach ein unglaubliches Vertrauen in mein Pferd. Sie sprang die erste Runde so gut und sicher. Ich hatte das Gefühl, dass sie gemerkt hat, hier geht es um etwas. Das hat mir unheimlich viel Sicherheit gegeben. Ich dachte mir, das Schlimmste ist, dass sie einen Fehler macht und selbst dann könnte ich noch eine Medaille gewinnen. So habe ich probiert, mir den Druck selbst ein bisschen wegzunehmen.

Was ging in Ihnen vor, als Sie die letzte Hürde übersprungen haben?

Ich habe einmal kurz hochgeguckt. Ich wusste, dass ich keinen Springfehler machen darf und dass ein bisschen Zeitüberschreitung okay ist. Ich habe gesehen, dass es passt und war wahnsinnig erleichtert, glücklich und emotional. Zu realisieren, man ist gerade Olympiasieger geworden und der ganze Druck fällt ab, das ist schon ein richtig krasses Gefühl. Am Ende überwiegt die Dankbarkeit gegenüber denen, die hinter mir gestanden haben, wenn es mal schwierig war, die mich unterstützen, mich motivieren und denen etwas zurückgeben zu können. Auch dem Emsland, das eine herausragende Sportförderung hat. Ich glaube, seit 12 oder 14 Jahren werde ich großzügig gefördert. Auch wenn es mal schlechter läuft, stehen sie hinter mir. Das macht schon einen Unterschied und das ist auch ein Grund, weshalb ich nach wie vor für das Emsland an den Start gehe, weil man dort das Gefühl hat, dass eine ganze Region hinter einem steht.

Sie haben danach erzählt, dass Sie Ihrem verstorbenen Vater die Medaille widmen. Man hat gesehen, dass es für Sie extrem emotional war…

Ja, sehr emotional. Vor und bei den Olympischen Spielen ist viel Anspannung da. In dem Moment, wenn alles abfällt, kommt alles heraus. Der vergangene Winter mit dem Tod meines Vaters. Mein anderes Toppferd nach langwieriger Verletzung in den Ruhestand schicken zu müssen. Da arbeitet man sich darüber hinweg, das kann ich und irgendwie den Kopf unter den Arm klemmen und weitermachen. Aber das belastet einen natürlich trotzdem. Und das ist jetzt für mich ein Moment gewesen, in dem sich alles zu einem Finale zusammenfindet und der ganze Druck und Stress fällt ab.

Hätte Ihnen jemand vor Tokio gesagt, Sie gewinnen Gold, hätten Sie ihn für verrückt erklärt?

Ja, schon. Ich hatte auf die Top Fünf oder Acht gehofft. Das ist ja nicht so, dass die Stute bislang eine schlechte Saison gelaufen wäre, aber für Gold gab es ein paar Favoriten und es muss auf so einer Bühne erstmal alles funktionieren. Als die Dressur, also die erste Teilprüfung, beendet war, dachte ich mir nur, wenn ich das nach Hause bringe, ist eine Medaille möglich. Nach der Dressur geht es dann darum, keine Fehler mehr zu machen und deswegen bin ich dann auf mich fokussiert und probiere nicht zu schauen, was die anderen machen, weil man es aus eigener Kraft nicht mehr verbessern kann. Das führt in unserer Disziplin zu mehr Kameradschaft, denn man bekommt einmal Punkte und danach ist jeder für sich selbst verantwortlich und nicht mehr abhängig von Richterentscheidungen.

Wie wurde gefeiert?

Wir waren ja nicht im Olympischen Dorf, weil sich unser Verband dagegen entschieden hat. Es gab dann eine kleine, kurze Feier im Stall und dann sind wir am nächsten Tag direkt nach Hause geflogen, wo es dann einen großen Empfang gab. Das war wirklich der Hammer, denn es waren viele Freunde und Kollegen am Flughafen, meine Stute hat noch einen Empfang mit rotem Teppich bekommen als sie wiedergekommen ist.

Als Sie aus dem Flugzeug gestiegen sind, standen dort schon die ganzen Freunde und Familie?

Ja, die haben sich einen Bus gemietet und alles mal eben innerhalb von einigen Stunden auf die Beine gestellt und haben uns dort richtig cool willkommen geheißen.

Wie viele Nachrichten und Glückwünsche hatten Sie nach der Goldmedaille auf dem Handy?

Die kommen über verschiedene Kanäle (überlegt). So etwa 1000 oder 1500. Ich versuche so viele wie möglich zu beantworten. Das bedeutet mir viel. Das macht vielleicht dieses Olympische aus, dass man auch mal Leute begeistern kann, die das sonst nicht so mitbekommen.

Was steht in der nächsten Zeit bei Ihnen an?

Ich bin ja auch U-18-Juniorentrainerin, das ist quasi mein anderer Job. Da ist letzte Sichtung zur Europameisterschaft in drei Wochen und dann steht die Deutsche Meisterschaft der Jungpferde in Warendorf an, da haben wir zwei sechsjährige Pferde am Start und dann steht die Europameisterschaft mit meinen Junioren an. Es bleibt spannend. Für mich in diesem Jahr aber nicht mehr auf Topsportniveau, weil die Stute macht jetzt erstmal Urlaub. Aber ich habe auch noch andere junge Pferde, die etwas Routine sammeln sollen.