06.02.2017 - Sporthilfe Emsland

„Eine Aussage kam fies als Bumerang zurück“

Warum Marco di Carli nach seinem Rücktritt vom Schwimmsport eher Funktionär als TV-Experte wirdMeppen. „Im Schwimmen liegt im Moment so viel im Argen“, sagt der aus Sögel stammende Schwimmer Marco di Carli, der seinen Rücktritt vom Wettkampfsport erklärt hat (wir berichteten). In seinem Abschiedsinterview verrät der 31-Jährige, warum er sich einen Funktionärsposten zutraut, welche Aussage ihn vor Jahren wie ein Bumerang erwischte und welches sportliche Ereignis ihn am meisten bewegt hat.

Herr di Carli, wie schwer ist Ihnen der Rücktritt vom Leistungssport gefallen?

Letztlich ist es mir nicht so schwergefallen, weil es sich im Laufe des letzten Jahres abgezeichnet hat. Rein sportlich war Rio für mich der Schlussstein, den ich setzen wollte. Was ich aber ganz knapp verpasst habe. Ich hätte ganz gerne diese Saison noch drangehängt, bin aber mit der Polizei, die mir im Rahmen der Sportfördergruppe immer den Rücken freigehalten hat, übereingekommen, dass ich zum 1. Februar aus der Sportfördergruppe ausscheide und in den normalen Dienst überwechsele. Natürlich fällt es einem immer leichter, wenn man in ein gutes Auffangnetz fällt, als wenn die berufliche und die private Zukunft mit Riesenfragezeichen versehen sind.

Sie wollen noch bei dem einen oder anderen Wettkampf als Botschafter dabei sein. Können Sie sich in naher oder ferner Zukunft eine Laufbahn als Trainer vorstellen?

Im Moment kann ich es mir nicht wirklich vorstellen. Aber es ist auch einfach so, dass im Moment so viel Neues auf einen einstürzt. Man betreibt den Sport 20 Jahre und ist dann raus aus der Geschichte, worauf man sich auch erst einstellen muss. Ich habe in der Vergangenheit auch schon mit Nachwuchsgruppen in Frankfurt und München gearbeitet. Deshalb kann ich sagen, auf lange Sicht gesehen schon. Was ich mir im Moment sehr gut vorstellen könnte, wäre eine Tätigkeit auf Funktionärsebene, weil einfach im Schwimmbereich im Moment so viel im Argen liegt. Dass man da vielleicht mit dem Know-how, das man aus der aktuellen Situation noch mitnehmen kann, dem einen oder anderen Verband noch unter die Arme greifen kann. Das will ich gar nicht ausschließen, dass man so im Rückgang noch einmal zum Sport kommt.

Aber es gibt dahingehend nichts Konkretes?

Nein, es gibt keine konkrete Vorstellung. Keine Ambitionen, gar nichts. Es ist nur so, dass ich sage, das könnte ich mir unter Umständen vorstellen. Aber da ist im Moment noch nichts spruchreif.

Sie waren zweimal bei Olympischen Spielen. Haben an Weltmeisterschaften und deutschen Meisterschaften teilgenommen. Was war Ihr schönstes Erlebnis?

Ich glaube, dass das wirklich die ersten Spiele 2004 waren, weil ich das erste Mal mit der offenen Nationalmannschaft unterwegs war. Das prägt dann natürlich schon. Und das sind ganz einfach Erinnerungen, an denen man sich festhalten kann. Dazu die vielen kleinen Geschichten so im Umfeld. Das hat mich nachhaltig am meisten beeindruckt. Was mir den Ansporn für die nachfolgenden 13 Jahre in meinem Sport gegeben hat, Vollgas zu geben. Weil ich einfach gesehen habe, was man erreichen kann und erleben darf, wenn man sich dementsprechend anstrengt.

Was war die bitterste Erfahrung?

Der Tiefpunkt war 2010, wo es sportlich und privat nicht rundlief. Was dann auch zu fast einem halben Jahr Pause geführt hat. Wo es aber wiederum sofort wieder ausgeglichen wurde durch deutschen Rekord und Weltjahresbestzeit 2011. Das waren sportlich die dunkelsten Stunden, die ich hatte.

Sie waren und sind bekannt dafür, dass Sie Ihr Herz auf der Zunge tragen. Würden Sie im Nachhinein alles noch einmal genauso machen?

Eigentlich kann ich mit allen Aussagen ganz gut leben. Die einzige, die sich im Nachhinein ganz fies als Bumerang herausgestellt hat, war eine Geschichte in 2013. Nach einem völlig desolaten Rennen habe ich dem Reporter gegenüber gesagt, „Gib mir ’ne Waffe! Da hilft jetzt nur noch Notschlachtung!“ Die Notschlachtung wurde rausgestrichen, die Waffe ist geblieben. Und es gab einen Riesenaufschrei beim Ministerium in Hessen. So etwas als Polizist zu sagen war unüberlegt. Aber in dem Moment war es einfach so: Man ist durch das schlechte Rennen dem totalen Frust ausgesetzt. Ich war mir in dem Moment der Tragweite der Aussage nicht bewusst. Das ist nach 13 Jahren im Rampenlicht der einzige größere Skandal gewesen, den ich mir habe zuschulden kommen lassen. Sonst war sicherlich die eine oder andere lustige Situation in Interviews dabei. Aber es waren immer zu 100 Prozent di-Carli-Interviews, in denen ich mich nie verstellt habe. Von daher würde ich da keine Aussage zurücknehmen wollen.

Gerade weil Sie so offen und ehrlich sind, wären Sie doch eigentlich prädestiniert für den Job des TV-Experten, oder?

Ich glaube, dafür ist meine Stimme einfach zu unerträglich. Wenn ich mich auf Band höre, denke ich immer, Gott, die armen Leute. Ich glaube einfach, ich hätte als Kommentator so ein bisschen das Problem, dass ich immer ganz gerne ein Gegenüber habe, weshalb zum Beispiel Telefonieren für mich auch ein ganz großer Graus ist. Weil ich überhaupt kein Feedback vom Gegenüber bekomme. Deshalb würde mich das im TV etwas einschränken, weil ich kein direktes Feedback kriegen würde. Also sehe ich mich da gar nicht so.